Behandlungsbeginn

Auf Rat der Frauenärztin in der Klinik entschließe ich mich, mir eine frische Sommerfrisur schneiden zu lassen, so dass der Übergang zur haarlosen Zeit bzw. der Zeit mit Perücke nicht so krass wird.

Ich lese Psalm 91 und freue mich über den Zuspruch vom himmlischen Liebhaber.

Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln. (Psalm 91,4)

Danke, Jesus, dass du mich kennst. Ich berge mich bei allem emotionalen Auf und Ab unter den Flügeln deiner Nähe.

Es folgen Aufklärungsgespräche zur Chemotherapie und zur Portanlage. Für den kleinen operativen Eingriff, bei dem mir ein Port gelegt wird, beanspruche ich diesen Schutz. Leider bekomme ich trotz lokaler Narkose mit, dass ein Arzt in Ausbildung unter Anleitung eines Facharztes diesen Port einbaut.

Na ja, jeder muss eben lernen und selbst ausprobieren – doch möglichst nicht an mir!

Ich überlege mir, wie ich den Brustkrebs positiv benennen kann.

Worte haben ja schließlich Macht.

Ich rede nicht von meiner Krankheit, denn dann habe ich ja die Krankheit angenommen und zu meiner eigenen gemacht. Dann bin ich krank und das will ich nicht sein. Ich habe auch nicht Krebs, sondern ich komme zu dem Schluss, dass ich eine Diagnose habe – böse Zellen in der rechten Brust – und eine Behandlung bekomme, die ich als Chemo oder Cocktail bezeichne. Für meinen eingebauten Port finde ich auch ein Wort. Ich nenne ich liebevoll „Stöpsel“.

Ich beginne vorsichtig, Menschen, die mir nahe stehen, von der Erkrankung zu berichten. Ich spüre schnell, dass nicht alle Menschen gut damit umgehen können. Meinen Schulleiter habe ich ja schon vor den Pfingstferien von der Diagnose und der wahrscheinlichen Behandlung und meinem Ausfall in Kenntnis gesetzt. Er hat ganz verständnisvoll reagiert.

Ein anderer hat nur gemeint, dass ich mir doch die Brüste abnehmen lassen soll, denn dann hätte ich doch „Ruhe“. Oder andere haben mir von Bekannten erzählt, die auch diesselbe Diagnose hatten und die sehr unter der Chemotherapie litten, Metastasen bekommen hatten und schlussendlich daran gestorben waren.

Danke! Wisst ihr eigentlich, was ihr da gerade sagt? Muss ich mir dies wirklich anhören?

Solche unsensiblen Menschen gegenüber musste ich mich immer wieder entschließen zu vergeben.

In der Lebensgruppe meiner Kirche erzähle ich in der Austauschrunde von dem Befund. Nach dem erstem Schock beten der Pastor und die anderen Teilnehmer für meine Heilung. Es tut gut, andere an diesem „Einbruch“ teilhaben zu lassen und Unterstützung im Gebet zu finden. Das Anliegen wird anonym der Kirche zum Gebet vorgelegt. Mir wird angeboten, dass die Ältesten der Kirche für mich beten und mich salben, so wie es im Jakobusbrief 5,14 erwähnt wird.

Ja, das will ich annehmen.

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