Heute ist der Tag der ersten Chemo. Ich habe einen Tag zuvor aus dem hiesigen Amtsblatt den Krankentransport angerufen und ihn auf 8 Uhr bestellt. Als der Wagen vorfährt und zwei Sanitäter aus dem Auto springen, bin ich überrascht. Sie auch! So ein großes Auto für eine so quietschfidele Frau hatten sie auch noch nicht. Na ja, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich so einen Wagen natürlich nicht bestellt. Mir wurde nur mitgeteilt, dass ich für den Weg ins Krankenhaus und zurück Krankentransport in Anspruch nehmen soll, da ich selbst nach der Chemo nicht mehr Auto fahren könne oder solle. Wie peinlich, wenn dies nun alle Nachbarn gesehen haben! Wie ärgerlich, wenn die Krankenkasse so einen großen Rettungswagen nicht zahlt! Schluss mit den Schuldgefühlen und dem „Wenn ich bloß ..… hätte ich doch“. Ich werde aus diesem Fehler lernen und für die Rückfahrt nach der Chemo ein normales Taxi bestellen!
Im Krankenhaus gehe ich zur gynäkologischen Ambulanz, melde mich dort an und warte auf das Arztgespräch. Dann werde ich in die onkologische Ambulanz geschickt und in einen der Räume geführt. Ich begrüße leise die anderen fünf Personen, die schon alle in ihren Sesseln sitzen und ihre Infusionen bekommen. „Haben Sie heute schon ihre Tablette geschluckt, die Sie eine Stunde vor der Chemotherapie nehmen sollten?“ fragt mich eine Krankenschwester. Ich bejahe. Es war ein Riesending. Ich schlucke Tabletten überhaupt nicht gern, da ich oft einen Brechreiz verspüre und sie deshalb sicherheitshalber über dem Waschbecken einnehme. Die Krankenschwester weist mich freundlich zu einem freien Sessel. Dann legt sie sich alles bereit, was sie braucht: Nadeln, Kanülen, natürlich Plastikhandschuhe und steriles Vlies und Pflaster. Sie fährt einen Infusionsständer herein. Mir wird ganz schwindelig und schwarz vor den Augen, so dass sie meinen Sessel verstellt und ich liegen kann, bis sich mein niedriger Blutdruck wieder erholt. Beim Einstechen in meinen Port muss ich wegschauen, damit mir nicht wieder schlecht wird. Sie überprüft, ob der Port rückläufig ist und funktioniert. Dann bekomme ich eine Natriumchloridlösung zur Desinfektion angehängt, danach etwas gegen die Übelkeit. Dann erhalte ich die eigentliche Chemo: Epirubicin – eine rote Flüssigkeit, die auch meinen Urin rot färbt. Während diese langsam einläuft, darf ich nicht aufstehen und zur Toilette gehen. Dieses Behandlung dauert Stunden und sie vergehen langsam. Immer wieder sehe ich auf die Uhr im Raum.
Heute ist mir nicht danach, mit anderen Patienten zu reden und vom negativen Gerede der anderen will ich auch nichts mitbekommen. Also stöpsele ich mir meine Ohren zu und höre schöne Musik, die den Schöpfer des Himmels ehrt. Ich halte mich einfach so wie ich jetzt bin vor Gott hin und plötzlich durchleuchtet mich ein Gedanke, von dem ich glaube, dass er von ihm kommt:
„Ich schieße jetzt – wie mit Pfeil und Bogen – die bösen Zellen in deiner Brust ab!“
Ach, das ist tröstlich! Zur Musik stricke ich ein wenig und versuche in einem Buch zu lesen. Doch ich kann mich nicht so recht darauf konzentrieren. Nach vier Stunden bin ich endlich fertig. Ich bekomme noch die Anweisung von der Krankenschwester, welche Tabletten ich heute nach acht Stunden nehmen soll und welche für die nächsten beiden Tagen sind. Dann torkele ich zur Eingangshalle des Krankenhauses und rufe ein Taxiunternehmen an, das mich nach Hause bringt. Ich fühle mich wie benommen und benebelt – wie unter Drogen. Sehr gesprächig bin ich auf der Rückfahrt im Taxi nicht.