Wir fliegen eine Woche nach meiner OP mit einer Reisegruppe von 22 Leuten nach Israel. Ich sehne mich danach, mal nicht nur Krankenhaus- und Arzttermine wahrzunehmen. Tapetenwechsel wird mir gut tun.
Wir bereisen den Norden bis zur libanesischen und syrischen Grenze und den Süden bis zur Grenze zu Gaza, den Westen rund um Tel Aviv und Judäa und Samaria. Ich staune über das Land und die jüdischen Bewohner, wie sie sich für ihr Leben – Überleben im Land – vor der Staatsgründung bis heute mit ihrem ganzen Leben einsetzen, trotz der Gefahr und die täglichen Ängste, ob die eigenen Kinder auch sicher in die Schule und von der Schule heim kommen werden, denn die meisten Terrorakte finden genau zu diesen Uhrzeiten statt.
Ich beginne ein wenig mehr zu begreifen, dass uns Menschen zwar das Leben hier auf der Erde von Gott geschenkt wurde, dass es aber auch einen Feind gibt, der mit Krankheit, Schicksalsschlägen und Auseinandergehen von Beziehungen uns das Leben stehlen will. Manche geben sogar Gott die Schuld dafür – das tut mir weh! Wenn ich nichts tue mit der inneren Einstellung “Es kommt doch alles, wie es kommen muss“ gebe ich diesem Räuber eine offene Einladung: „Komm, nimm mir doch meinen Lebenssaft!“ Dabei bietet Jesus das Leben in Fülle an, in dem er sagt:
„Der Dieb kommt nur, um die Schafe zu stehlen und zu schlachten und um Verderben zu bringen. Ich aber bin gekommen, um ihnen Leben zu bringen – Leben in ganzer Fülle.“ (Johannesevangelium Kapitel 10, Vers 10 nach NGÜ)
Doch dieses Leben im Hier und Jetzt und auch das kommende Ewige bekomme ich nicht automatisch. Ich muss es wie ein Geschenk von Jesus auf mich beziehen und in meine Hände nehmen und auspacken. Und wenn der Räuber mir wieder Lebensfreude oder inneren Frieden durch Krankheitssymptome nehmen will, geht es mir darum, dass ich dieses geschenkte Leben verteidige, und ich sage laut vor mich hin:
„Hau ab! Du hast hier nichts zu suchen. Weg mit den Symptomen! Ich nehme sie nicht an!“
Und bildlich gesprochen greife ich in die himmlische Schatzkammer und hole mir Gelassenheit, Trost, Zuversicht und Heilung.
Auch wenn ich nicht immer gleich eine sofortige Heilung oder Veränderung spüre, gehe ich glaubend davon aus und tue so, als ob die positive Veränderung schon von Gott auf dem Weg zu mir ist und ich sie bald zu 100% in meinen Händen halten werde. Das allein ist ein dauerhaftes Trainingsprogramm, das ich mit meiner Auszeit begonnen habe.
Heute denke ich an die Diagnose, die ich vor vier Jahren bekommen habe und mich und unser Leben durcheinander geschüttelt und erschüttert hat. Ich staune auch darüber, wie Gott aus dem Negativen und Bösem der Diagnose Gutes hat wachsen lassen: neue Haare, neue Job, neue Beziehungen. So herr-lich ist Gott!
Und ich erinnere mich an die OP:
Heute ist der Tag! Mein Köfferchen ist gepackt. Ich bin bereit. Mein Mann segnet mich und stellt mich unter den Schutz meines himmlischen Papas und fährt mich zum Krankenhaus und übergibt mich den Krankenschwestern für die OP-Vorbereitung. Ich bin die vierte auf der Liste. Na, das hört sich gut an. Ich habe mir schon vorgestellt, wie es sein würde, durstig und ausgetrocknet auf eine OP zu warten und dann erst nachmittags dranzukommen und wie dann die Angst häppchenweise in mir hochklettern würde.
Einige Tage vor der OP klopft die Angst vor der Narkose, vor der OP, vor den möglichen Schmerzen und dem Krankenhausaufenthalt an und will mich bedrücken.
Danke, himmlischer Papa, dass du zärtlich fürsorglich und gut bist. Ich entscheide mich, dir, meinem Ratgeber und Friedefürst mehr zu glauben als den aufkommenden Ängsten und Lügen.
Ich habe eine andere Strategie: ich möchte einen spannenden israelischen Krimi lesen. Ich frage die Krankenschwester, ob ich ihn bis kurz vor der OP lesen kann. Sie ist eine Nette und erlaubt es mir. So kann ich meine Gedanken auf etwas anderes lenken und diesen Krimi wollte ich schon lange mal lesen. Doch vorher gibt es ein Problem. Der Radiologe hat Schwierigkeiten, das Tumorbett zu lokalisieren. Bei der letzten Mammographie vor einem Monat konnte der eingebaute Clip nicht mehr klar identifiziert werden. Er probiert eine Möglichkeit, ihn zu orten, doch dieser Versuch scheitert an technischen Problemen. Innerlich wende ich mich an meinen himmlischen Papa und bitte ihn um eine Lösung. Der Radiologe beschließt, es eben doch nochmal mit einer Mammographie zu versuchen, und siehe, da, der Clip ist sichtbar. Er betäubt die Brust mit einer kleinen Spritze und kann seinen Draht bis zum Clip hinein schieben.
Von der OP bekomme ich nichts mit und bald liege ich auf Station. Jetzt darf ich wieder trinken und erwarte sehnsüchtig das Abendessen, das ich mir aussuchen darf. „Es ist gut verlaufen“ meint der operierende Arzt abends. „Ich glaube, wir haben alles herausgenommen“. „Schön!“, sage ich hoffnungsvoll.
„Wollen Sie eine Thrombosespritze oder ein wenig umher laufen?“ werde ich von einer Krankenschwester gefragt, die zugibt, dass die Thrombosespritze nicht auf der Ausgabeliste für mich steht. Nach meinen gestrigen Erfahrungen von dem Piekser, der es in sich hatte vom Nuklearmediziner, entscheide ich mich für vorsichtiges Herumlaufen. Hätte der Nuklearmediziner es nicht auch so machen können wie der Radiologe heute Morgen und mir eine lokale Betäubung geben können? Ich spüre, wie mir dies keine Ruhe lässt und wie ich immer noch Groll gegen diesen Arzt hege. Mein himmlischer Papa flüstert mir ins Ohr und fragt mich, ob ich bereit bin zu vergeben. Doch in meinen Emotionen tobt es noch immer: Wie kann er so gefühllos und unsensibel sein und Frauen wie mir keine örtliche Betäubung anbieten? Doch ich treffe eine Willensentscheidung – ohne bzw. gegen meine Gefühle.
Jesus, du hast mir so viele Fehler vergeben, wo ich dich bewusst oder unbewusst verletzt habe. Du hast für mein „Zu-Schulden-kommen“ am Kreuz unter Todesqualen gelitten, damit Freiheit von Schuld und Scham für mich möglich wird. Und so entscheide ich mich jetzt, diesem Arzt zu vergeben, dass er mir so wehgetan hat. Und ich entlasse ihn in die Freiheit meiner Vergebung und werde es ihm nicht nachtragen. Ich danke dir für die empfangene Vergebung.
Ich spüre eine befreiende Leichtigkeit aufkommen. Meine Gefühle für den Arzt werden schon noch meiner Willensentscheidung folgen. Und einige Tage später gebe ich ihm eine freundliche und positiv formulierte Patientenrückmeldung ab, in der Hoffnung, dass andere Frauen besser – mit weniger Schmerzen – behandelt werden.
Im Krankenhaus höre ich Lobpreislieder mit den Stöpseln im Ohr oder plaudere mit meiner Bettnachbarin mit stattlichen 88 Jahren auf dem Buckel. Wie schön, dass ich schon wieder aufstehen und langsam mit den Drainagen in einer Tasche versteckt herumlaufen kann. So nutze ich die sonnigen Tage und lese im Park meinen angefangenen Krimi.
Von den Ärzten angeordnet muss ich einen speziellen engen BH Tag und Nacht tragen und darf nicht schwer tragen. Auf Fahrradfahren und anderen schweren Sport soll ich für 6 Wochen auch verzichten. Das ist eine lange Zeit für eine begeisterte E-Bikerin wie mich!!! Ich entwickle eine neue Strategie: Ich frage eine andere Ärztin. Sie verkürzt auf 4 Wochen. Bei dem Abschlussgespräch nach 3 Wochen frage ich wieder und ich bekomme eine zufriedenstellende Antwort: „Sie dürfen den Arm schon wieder richtig, wenn auch vorsichtig, bewegen und Fahrrad fahren dürfen Sie auch!“ „Außerdem wurden keinerlei bösartige Krebszellen im Tumorbett und in den zwei Lymphknoten, die wir entfernt haben, gefunden.“
Wie glücklich und dankbar bin ich über diese Aussage, wo ich doch vorher nochmals die wichtigen Worte, die Gott mir durch die Bibel zugesagt hat, laut über mir ausgesprochen habe. Für mich sind solche Zusagen Gottes wie der Stab, auf den man sich beim Hochsprung stützt, um die notwendige Höhe zu bekommen, um über das Hindernis zu springen.
„Aua“ schreie ich und Tränen laufen mir aus allen Knopflöchern. Der Arzt meint nur ganz gelassen: „So nun haben wir die erste.“ „Aua“, schreie ich wieder und weitere Tränen laufen wie kleine Rinnsale über mein Gesicht. Ich fühle mich ganz benommen von diesem Schmerz. „So jetzt sind wir fertig! Sie können im Wartezimmer Platz nehmen und ungefähr eine Stunde warten.“ Schnell ziehe ich mir etwas über und wanke ins Wartezimmer. Noch immer laufen mir die Tränen. Ich kann sie nicht stoppen. Wie peinlich! Denn im Wartezimmer sitzt eine Frau. Aber ich kann nicht anders. Der erlebte Schmerz kommt immer wieder hoch und lässt mich vor mich hin winseln, wo ich doch sonst eigentlich ganz tapfer bin. Aber solche Schmerzen habe ich noch nie erlebt. Ich versuche mich zu beruhigen. Ich ziehe meine Ohrstöpsel und mein Handy aus dem Rucksack und höre per Youtube Lobpreislieder und sehe durch einen Tränenschleier die dazugehörigen schönen Landschaften an. Dies beruhigt meine Seele ein wenig, wenn da nicht die Whatsapps einer guten Freundin kommen würden, die sich durch ein Foto eines Projekts, das ich ihr so ganz ahnungslos geschickt habe, aufregt, dass die Wessis meinen, sie wüssten alles besser als die Ossis. Oh, da habe ich gerade unbewusst ihren Nerv getroffen. Aber ich kann und mag jetzt nicht mit ihr über Whatsapp darüber diskutieren, nicht in dem Schmerz, der mich gerade benebelt. Tut mir leid, aber jetzt kann ich dein Gejammer nicht anhören und nicht vertragen.
Nach 40 Minuten werde ich wieder ins Behandlungszimmer gerufen. So halbnackt liege ich da und warte. Na gut, ich kann ja meine Antenne zu Gott ausfahren. Überhaupt habe ich mir angewöhnt, im Alltag oder wenn ich in einer Röhre gesteckt werde, leise in der Geheimsprache mit meinem himmlischen Papa zu kommunizieren. Und so liege ich nun da und warte. Die Zeit vergeht. Der Blick zur Arzthelferin ist verdeckt durch die Röhre. Ich bewege mich, um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Mir ist sooo kalt. Sie kommt aus dem Nebenzimmer heraus, an dem sie schon längere Zeit vor dem Computer verbracht hat. Ich erkläre ihr mein Anliegen, dass ich friere, und sie bringt mir eine Decke. Der Arzt lässt auf sich warten. Dann kommt er, und ich zucke zusammen. Er meint: „Jetzt tue ich Ihnen nicht mehr weh!“ Gut so, denke ich, das war vorhin auch wirklich genug. Weiß er überhaupt, wie weh es tut, wenn man einer Frau in die Brustwarze piekst und radioaktives Zeug spritzt? Und das gleich zwei Male! Höllische Schmerzen! Nun werden von meiner rechten Brust von allen Seiten Aufnahmen gemacht. Die radioaktive Flüssigkeit soll von der Brustwarze bis zu den Lymphknoten unter der Achsel wandern und so diese markieren. Ich bekomme sie auch äußerlich mit schwarzem Edding markiert mit dem Auftrag „Bitte nicht waschen!“ Na gut, auf eine Dusche einen Tag vor meiner Brust-OP kann ich verzichten. Der Arzt verabschiedet sich zweisilbig. Endlich darf ich gehen! Nichts wie raus hier! Wo bleibt denn hier die Menschlichkeit? Zu diesem Nuklearmediziner gehe ich nie wieder, denke ich. Der ist mehr an der Medizintechnik interessiert als an seinen Patienten. Wie bin ich froh, dass ich nun endlich gehen darf.
Da war ich auf 11 Uhr bestellt und komme erst um 13.15 heraus. Es ist unser zweiter Hochzeitstag. Ich habe ihn mir schöner vorgestellt. Ich schreibe meinem Mann eine Nachricht und erkläre ihm kurz, dass die Sentinelmarkierung ganz grausam war und ich seelisch noch sehr mitgenommen bin von solch fiesen Schmerzen. Wir treffen uns und radeln gemeinsam los zu dem Restaurant, in dem wir vor zwei Jahren unsere Hochzeit gefeiert haben. Wir müssen uns beeilen, denn die Küche hat nur bis 14 Uhr geöffnet und das Restaurant liegt auf einem Berg. Wir radeln los – ich mit E-bike und mein Mann mit seinem speziell angefertigten Rennrad, das schon über 20 Jahre alt ist. Ich fahre mit meinem Bike voraus und warte oben auf der Anhöhe auf ihn. Aber er kommt und kommt nicht. Komisch! Sonst ist er doch viel schneller. Ich beschließe zurück zu fahren, und nehme bei einer Wegkreuzung einen anderen Weg. Vielleicht ist er anders abgebogen als ich.
„Jesus, lass uns doch in dieser uns unbekannten Gegend wieder zusammenfinden.“
Um die Kurve treffe ich auf Hartmut. Wie gut! Da die Zeit weiter fortgeschritten ist, entschließen wir uns, unser Hochzeitsrestaurant aufzugeben und einfach zu „unserem“ Italiener auf dem Heimweg zu radeln. Ich habe so richtig Hunger und bin schon ein wenig unterzuckert. Doch „unser “ Italiener hat zu, die Zweigstelle hat gerade noch offen und wir dürfen als einzige Gäste noch Pizza und Salat bestellen. Wir bedanken uns besonders und erklären der Kellnerin, dass wir heute unseren zweiten Hochzeitstag feiern. Sie freut sich mit. Natürlich hätte ich auch selbst kochen können, aber so war es doch schöner.
Wie so oft hat mir ein Mittagsschläfchen wieder sehr gut getan. Das hilft mir häufig bei solchen inneren Anstrengungen und Verarbeitung von Schmerz.
Abends habe ich mich dann chic gemacht und mein Hochzeitskleid angezogen. Was soll es auch nur im Schrank hängen? Einmal im Jahr will ich es herausholen und damit unsere Ehe feiern.
Ich habe mir den zweiten Hochzeitstag zwar anders vorgestellt, aber feiern werde ich trotz Eintrübung durch die höllischen Schmerzen! Es gibt auch ein heiliges Trotzdem!
Kennst du die neue Serien-Verfilmung „The Chosen“ über Jesus? Sie ist derzeit auf Platz 1 der SPIEGEL Bestsellerliste. Sie zeigt Begegnungen von Frauen und Männern des ersten Jahrhunderts mit diesem Jesus. Und er ist so erfrischend anders – voller Lebensfreude, Zuneigung und Verständnis für einzelne Menschen.
Nun in ähnlicher Weise habe ich eine überraschende Begegnung mit Jesus gehabt. Damals Anfang Dezember habe ich noch NULL Haare auf dem Kopf gehabt und das Ende der gefühlt endlos mutenden Chemos ist noch nicht greifbar gewesen:
Ich sitze bei Jesus, dem himmlischen Friseur. Er zeigt mir mit einem Spiegel meinen neuen Haarschnitt: dunkelblond und lockig. Er fragt mich, wie mir mein neuer Haarschnitt gefällt. Dabei lächelt mich Jesus verschmitzt an und meint:
„Jetzt passt und sitzt deine Krone viel besser auf deinem Kopf als vorher.“
Ich bin überwältigt, mit welcher Liebe und Sorgfalt Jesus meine Bedürfnis nach Schönheit und schönen Haaren kennt und ich beginne, mich regelrecht auf meine neuen Haare zu freuen.
Nach schon einem weiteren Monat wächst ganz langsam neuer Flaum. Erst einmal grau!? Doch bin ich so stolz darauf, dass ich immer öfter ohne Kopfbedeckung oder Perücke herum laufe. Allerdings mit schönen neuen langen Ohrringen! Die sind jetzt wichtig.
Ich sehe aus wie das typische Bild, das viele von einer Feministin haben, und muss darüber schmunzeln, da ich so wenige Eigenschaften einer Feministin in mir sehe.
Zwei Monate später – nach diesem Besuch beim himmlischen Friseur – kann ich endlich die letzte Chemo absolvieren. Nach acht langen Monaten der Chemotherapie!!! ENDLICH! Halleluja!
Nach weiteren drei Monaten feiere ich regelrecht meinen neuen Look – dunkelblonde lockige Haare!!! Und feiere Jesus, den besten Hairdesigner!
Es ist Oktober. Ich sitze in der Gyn-Ambulanz zur Blutabnahme. Meist nehme ich mir etwas zum Stricken mit, denn ich werde wohl wieder lange warten müssen. Warten auf die Blutergebnisse! Warten auf die Ärztin! Warten auf den nächsten freien Stuhl, um die Chemo-Infusion zu bekommen!
Doch ich bekomme schlechte Nachrichten: meine Blutwerte sind zu schlecht, dass sie mir heute keine Chemo geben können. Hm! Was mache ich jetzt? Dabei wurde ich extra mit dem Taxi hergefahren, weil ich ja nach der Chemo nicht so ganz „zurechnungsfähig“ fürs Auto fahren bin. Soll ich mir ein Taxi rufen zur Heimfahrt? Eine neue Situation für mich nach 5 wöchentlichen Chemos! Ich beschließe die 8 km ganz langsam heimzulaufen. Nach dem Mittagessen bin ich davon ziemlich erschöpft und schlafe zwei Stunden.
Die Woche drauf klappt es wieder mit der Chemo. Schön! Denn ich will endlich fertig werden mit dieser Behandlung. Vielleicht schaffe ich es noch vor Weihnachten! So ist meine Hoffnung.
Doch mein Körper „holt“ sich immer wieder Erholungspausen – einmal sogar 4 Wochen lang. Mal sind es nicht genug Leukozyten. Mal sind es die Neutrophile. Die Behandlung zieht sich wie ein Kaugummi. Und ich bin müde von diesem Ausnahmezustand und der ermüdenden Behandlungszeit. Eigentlich hätte ich doch in 12 Wochen fertig sein sollen.
Jesus, warum auch noch das? Warum kann ich die Sache nicht einfach schnell hinter mich bringen?
„Ich stretche dich wie mit einem Thera-Gummi-Band. Es ist keine Überforderung sondern ein Fitnessprogramm für dich – ohne Muskelkater.“
Über diese Antwort bin ich nicht besonders glücklich. Ich frage mich und Jesus:
Soll ich die Chemo abbrechen? Denn der Tumor ist ja komplett weg. Warum brauche ich da noch weitere Chemo?
Ich bewege diese Frage immer wieder vor Gott, aber ich bekomme keine klare Antwort. Nur einen Rat von guten Freunden:
„Hör nicht auf das, was deine Gefühle sagen, sondern nimm wahr, wofür du Frieden (von Gott) im Herzen hast.“
Ich habe keinen Frieden zum Abbrechen, vor allem auch weil die Ärzte mir davor abraten. Also gut. Machen wir – Jesus und ich – weiter mit dieser ermüdenden Behandlung!
Es dauert bis Mitte Februar, dass ich meine letzte Chemo bekomme, dabei hätte ich laut Plan Ende November fertig sein können. Was für eine Training in Geduld und Ausdauer!
Kennst du das auch, wenn du bange vor einen Arzttermin im Warteraum sitzt und dich fragst, was wohl dieses Mal heraus kommen wird? Ich kenne das und habe inzwischen fast ein wenig Routine darin.
Denn nach drei Monaten (mit sieben Chemos: 4 x Epirubicin & Cyclophosamid und 3 x Paclitaxel und 1 x Carboplatin) ist ein weiterer Termin zur Ultraschallüberprüfung angesagt. Die Ärztin beäugt wieder die Stelle. Sie kann keinen Tumor feststellen. Nichts!!!
Jetzt müsste ich eigentlich jubeln und auf und ab hüpfen, doch vor lauter Müdigkeit und mich Schlechtfühlens geht dies nicht so recht. Mein Mann freut sich schneller. Es braucht ein paar Tage, bis diese Nachricht in mich hinein sickert. Dann erst bricht Freude und Jubel in mir aus, den ich auch gleich mit der Familie und den Freunden und der Gemeinde teile, die für mich gebetet und mitgeglaubt haben.
Juhu! Halleluja! Danke, Jesus, für deine durchschlagende Kraft der kompletten Heilung des Tumors!
Diese Heilung will ich feiern. Bei all der hygienischen Vorsicht der letzten 4 Monate entscheiden wir uns, in das beheizte Freibad am Ort zu gehen, das wir vor der Diagnose wöchentlich besucht haben. Ich kann es so genießen, mich wie ein Fisch im Wasser wohl zu fühlen und meine Runden zu schwimmen. Herrlich!
Bei den Injektionen von Carbo-Platin überfällt mich nach kurzer Zeit bleierne Müdigkeit, so dass ich nur noch vor mich hindösen kann. Anfangs versuche ich Lobpreismusik zu hören und in einer göttlichen Sprache, die Gott mir gemäß 1. Korintherbrief Kapitel 14 Vers 4 zur inneren Stärkung geschenkt hat, zu beten. Doch danach will ich nur noch schlummern. Wieder sind Erbrechen, Übelkeit und Müdigkeit die Begleiterscheinungen. Noch zwölf Male diese Prozedur– das klingt unendlich lang! Ich spüre, wie diese wöchentlichen Chemos meinen Glauben auf Echtheit prüft.
In einem Gottesdienst singen wir das Lied „Allein durch Gnade steh ich hier“ von Urban Life. Ich kannte es vorher nicht. Eine Zeile berührt mich tief: „Durchbohrte Hände halten mich“
Ja, Jesus, du hältst mich und du hältst mich aus.
Diese Zeile aus dem Lied spricht mich so tief an, dass ich sie während einem offenen Atelier, das von der Klinik für Krebspatienten Freitag nachmittags angeboten wird, in einer Collage verarbeite:
Der Tapetenwechsel im Urlaub, weg von Krankenhausterminen zwecks Blutabnahme und Cocktail-Verabreichungen, hat sehr gut getan. Neuen Mutes gehe ich zur Brustsprechstunde mit Ultraschall-Bestandsaufnahme. Die Spannung steigt: Was wohl dieses Mal herauskommen wird? Die Ärztin schaut ganz genau hin. Mein Mann bekommt dabei innerlich einen Schreck, da der Tumor jetzt größer aussieht, als der, den er vor vier Wochen auf dem Bildschirm gesehen hat. Er hakt nach und die Ärztin erklärt ihm, dass der Tumor zu Beginn von 22 mm auf 12 mm und jetzt auf 7 mm geschrumpft ist und sie eine größere Bildauflösung braucht, um den Tumor überhaupt zu sehen. Meinem Mann fällt ein Stein vom Herzen und er ist beruhigt. Ich natürlich auch!
Danke, Jesus, dass Du mein Arzt bist und die Heilung kontinuierlich vom Himmel zu mir auf der Erde unterwegs ist. Ich will mich weiter bis zur vollständigen Heilung „durchglauben“ und „durchpreisen“!
Dann beginnt die zweite Chemo-Phase mit 12 mal Paclitaxel und 4 mal Carbo-Platin. Diese soll nun wöchentlich verabreicht werden. D.h. jede Woche muss ich einmal zur Blutabnahme und dann zur Cocktailverabreichung, die bei dieser Mischung zeitlich kürzer ist.
Beim ersten Mal wird mir während des Einflößens des Cocktails von den Krankenschwestern eine Broschüre in die Hand gedrückt. Ich lese sie durch und mir wird innerlich schlecht: Wie bitte? Ich kann nach dieser Chemo vielleicht nicht richtig stehen oder laufen? Gehstörungen, Taubheitsgefühle in Armen und Beinen, Koordinationsstörungen können die Nebenwirkungen sein? Ich bin entsetzt und beunruhigt. Als Gegenmaßnahme zur Polyneuropathie bekomme ich Kühlbeutel für meine Füße und Hände.
Jesus, ich übergebe Dir meinen Körper mit allen Nerven!
Am nächsten Tag probiere ich die Übungen aus, die in dieser Broschüre angegeben waren: Ich stehe auf einem Bein für 3 Minuten. Das geht noch! Innerlich weigere ich mich, die Nebenwirkungen an Polyneuropathie für mich anzunehmen.
In der Bibel entdecke ich einen guten Satz, den ich für mich visualisiere:
Dabei imponiert mir auch Philipp Mickenbecker, der Youtube-Star von den Real Life Guys, der mit 23 zum dritten Mal an Lymphdrüsenkrebs unheilbar erkrankt ist, ehrlich darüber spricht und weiterhin auf Heilung hofft und sich durchglaubt.
Meine vier Wochen mit den krassen Chemos konnte ich hinter mich bringen und sogar in der Rekonvalseszenzzeit in Urlaub fahren.
Danke, Jesus, für dieses Timing, denn den Sommerurlaub haben wir schon ein halbes Jahr vorher gebucht.
Wanderungen in Südtirol mit langen Pausen waren möglich und auch Urlaub mit der gesamten Großfamilie am See. Vom Schwimmen im Caldonazzo See, was ich sehr liebe, wurde mir wegen erhöhter Infektionsgefahr abgeraten. Der Tapetenwechsel weg von Aufenthalten bei der Brustsprechstunde und meinem Zuhause hat gut getan.
Meiner Schwester wurde zeitgleich eine ähnliche Diagnose – Brustkrebs im Vorstadium – erteilt. Allerdings wurde sie gleich operiert und bekam danach vier Wochen Strahlentherapie. Da ich bei einem der Erstgespräche mit der Gynäkologin nach weiteren Krebskrankheiten in der Familie gefragt worden bin, bekam ich die Broschüre eines Humangenetiker mit. Mir wurde erklärt, dass man, falls der Brustkrebs genetisch bedingt sei, eine andere Art von OP durchführen müsse (d.h. dass eine Brust abgenommen würde).
Jesus, wieder komme ich vor dich mit diesen Fragen: Soll ich zu diesem Humangenetiker gehen? Ist dies nicht unnötig? Wie viele Untersuchungen soll ich noch über mich ergehen lassen? Was ist genug?
Ich bekomme inneren Frieden von Jesus Für diese humangenetische Untersuchung und lasse mir einen Termin geben. Vor Ort bespricht der Arzt mit mir, welche Vorfahren schon ein Karzinom in der Brust hatten und nimmt mir Blut ab, um meine DNA zu untersuchen. Einige Wochen später bekomme ich einen Brief zugeschickt. Entwarnung: eine eindeutige Veranlagung zu Brust- oder Eierstockkrebs und damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zu einem Rezidiv konnte nicht festgestellt werden.
Darüber freue ich mich sehr und meine Nichten, die davon betroffen sein könnten, auch! Und ich muss mich nicht fragen, ob ich mir eine Brust abnehmen lassen würde.
Kennen Sie das steigende Interesse an alternativer Medizin? Gerade jetzt, wo die Gesundheit der Menschen auf der ganzen Welt durch Covid-19 angegriffen ist.
Während mir die ersten vier Chemos verabreicht werden, suche ich den Kontakt zu einer Heilpraktikerin mit einer Naturheilpraxis bei mir in der Gegend. Ihr Motto ist das bekannte Zitat :
Tu deinem Leib des öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen (Teresa von Avila).
Dieser Spruch gefällt mir und die erste Untersuchung ist kompetent und zeitintensiv. Sie empfiehlt mir ketogene Ernährung, Vollbäder mit Natron, verschiedene Tees wie Artemisia, zusätzliche Vitamine und Nährstoffe (Vitamin C, Vitamin D3, Omega-3, Selen) und vieles andere als komplementäre Krebstherapie. Und ich möchte diese Hilfsmittel hier nicht schlecht machen! Sie macht mit mir einen Therapieplan und redet mir ins Gewissen, dass sie an meiner Stelle alles tun würde, damit sie ihre Enkelkinder noch lange sehen könne.
Und wieder falle ich in den Angst- und Sorgenmodus und bin hin- und hergerissen. Auf der einen Seite heilt Jesus einfach so, weil er am Kreuz schon Krankheit besiegt hat, und auf der anderen Seite solls ich ganz viel gemäß dem Therapieplan der Heilpraktikerin tun. Dabei kommt in mir die Frage auf: Wie viel muss ich tun? Wie viel ist (gut) genug?
Ich entdecke in dieser Fragestellung den alten theologischen Streit zwischen „Gesetz“ und „Gnade“, zwischen dem, was ich zur Rettung und Heilung beitragen soll und was mir durch Jesus geschenkt ist.
Jesus, diese ganze Liste des Therapieplans, so gut alle Dinge in sich sind, erschlägt und überfordert mich. Dann kreise ich ja nur noch um mich und bin damit beschäftigt, meinem Körper etwas Gutes zu tun. Willst du das?
Und ich spüre, wie Jesus zu mir sagt:
Liebes, ich will nicht, dass du gehetzt bist von allen Dingen, die du tun sollst. Ich will, dass du mich im Blick behältst.
Ich merke, dass es immer ein „noch mehr“ gibt, mehr Dinge, die ich für meine seelische und körperliche Gesundheit oder Gesundung tun kann. Auch bei meiner Arbeit als Lehrerin gab es ein „noch mehr“, was ich tun sollte, und gefühlt war ich nie mit der Arbeit fertig, so dass ich der Arbeit Grenzen setzen musste.
So entschließe ich mich, weiter die bisherigen Nährstoffe (Vitamin D3, Vitamin C, Omega 3 und Selen) einzunehmen und so viel wie möglich frisches Gemüse, Obst und Salat zu essen und weitgehend auf Zucker zu verzichten.
Jesus, schaffe mir Frieden in meinen Grenzen (Psalm 147, 14).